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Skelettsystem (Körperbau) der Schildkröte

Die heute lebenden (rezenten) Arten haben sich im Laufe der Evolution perfekt an ihren natürlichen Lebensraum angepasst. Diese Anpassung ist gerade anatomisch und morphologisch deutlich sichtbar, denn Form, Größe und Färbung ist äußerst variabel. Auch sind artspezifische Besonderheiten, welche sich im natürlichen Lebensraum als nützlich erwiesen haben, zu finden (siehe Besonderheiten).

Kopf einer Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), Foto: Tom Doeppner (GNU-Lizenz)

Kopf einer Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), Foto: Tom Doeppner (GNU-Lizenz)

Ägyptische Landschildkröte (Testudo kleinmanni) bei der Nahrungsaufnahme. (C) Dominik Müller

Ägyptische Landschildkröte (Testudo kleinmanni) bei der Nahrungsaufnahme. (C) Dominik Müller

Die Ägyptische Landschildkröte (Testudo kleinmanni) z. B. erreicht eine Panzerlänge von nur 10 bis 12 cm. Damit stellt sie eine der kleinsten Arten unter den Landschildkröten dar. Dank ihrer geringen Größe, ist sie in der Lage, selbst kleinste Schattenplätze effizient auszunutzen. Durch die helle, dem Wüstensand ähnelnde Färbung, ist sie nicht nur perfekt getarnt, sondern gleichzeitig auch dazu befähigt, die extrem heißen Sonnenstrahlen in einem hohen Maße zu reflektieren, um so nicht unnötig viel Wärme aufzunehmen.

Portrait einer Galapagos-Riesenschildkröte (Geochelone nigra). Foto: gemeinfrei

Portrait einer Galapagos-Riesenschildkröte (Geochelone nigra). Foto: gemeinfrei

Die Galapagos-Riesenschildkröte (Geochelone nigra) ist unter den heute existierenden Landschildkröten die größte und schwerste Art. Sie kommt auf dem Galapagos-Archipel im Pazifischen Ozean vor und trumpft mit einer Länge von bis zu 130 cm und einem Gewicht von mehr als 300 kg auf.

Panzer (Pantex)

Für Schildkröten stellt der Panzer, welcher bereits ca. 30 % des Gewichtes ausmacht, zweifellos das anatomisch entscheidende Charakteristikum dar. Kein anderes Wirbeltiere zeigt eine vergleichbare Anatomie.

Ähnlich wie das Exoskelett der Insekten, umschließt der Panzer der Schildkröten alle wichtigen Organe und Körperregionen.

Schildkröten hatten nicht von Beginn an den heute üblichen starren Panzer. Die ersten Arten waren lediglich mit einer dicken Hautschicht als Ummantelung ausgestattet. Dieser erste „Panzer“ stellte jedoch bereits die Weiterentwicklung des Brustkorbes dar. Neueren Theorien nach, hatte der Panzer der Urschildkröten eine nur minderwertige Schutzfunktion. Damals diente er vielmehr als Energieträger bzw. Wärmespeicher. Trotzdem ist im Vergleich zu den heute lebenden Arten, die anatomische Veränderung, evolutionär gesehen, eher gering.

Aufbau und Einteilung

Panzer einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) nach Teilentfernung der Hornschilde, seitliche (laterale) Ansicht. Die Hornschilde wurden selbstverständlich nach dem Tod entfernt. (C) Dominik Müller

Panzer einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) nach Teilentfernung der Hornschilde, seitliche (laterale) Ansicht. Die Hornschilde wurden selbstverständlich nach dem Tod entfernt. (C) Dominik Müller

Heute besteht der Panzer bei den meisten Schildkröten aus einer knöchernen Schicht (Knochenplatten genannt) und den darüberliegenden Hornschilden. Schultergürtel (Cingulum membri thoracici) und Beckengürtel (Cingulum membri pelvini) befindet sich bei Schildkröten innerhalb des Panzers bzw. Brustkorbes. Diese Besonderheit ist unter den Wirbeltieren (Vertebraten) einzigartig, denn bei allen anderen Wirbeltieren befinden sich diese Strukturen außerhalb des Brustkorbes, so auch bei uns Menschen.

Querschnitt eines Landschildkröten-Skeletts (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Querschnitt eines Landschildkröten-Skeletts (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Knochenpanzer einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca), seitliche (laterale) Ansicht. (C) Dominik Müller

Knochenpanzer einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca), seitliche (laterale) Ansicht. (C) Dominik Müller

Für Kopf, Beine und Schwanz befindet sich am vorderen und hinteren Ende des Panzers je eine breite Öffnung. So können der Kopf und die Gliedmaßen bei Gefahr zurückgezogen werden. Durch die dick beschuppten Beine, die nach dem Zurückziehen in den Panzer noch äußerlich sichtbar sind, wird das „Innenleben“ gut geschützt.

Skelett einer Suppenschildkröte (Chelonia mydas). (C) Dominik Müller

Skelett einer Suppenschildkröte (Chelonia mydas). (C) Dominik Müller

Eingeteilt wird der Panzer in den oberen, gewölbten Rückenpanzer (Carapax) und den unteren eher flachen Bauchpanzer (Plastron), welche durch Knochenbrücken (Schultergürtel, Beckengürtel, Rippen Wirbelsäule) fest miteinander verwachsen sind.

Umwandlung von Rippe zu Rippenschild. © Dominik Müller

Umwandlung von Rippe zu Rippenschild. © Dominik Müller

Die an der starren Wirbelsäule entspringenden Rippen, gehen jeweils in eine knöcherne Rippenplatte über. Die Rippenplatten verlaufen schließlich bogenförmig nach unten (ventral) bis hin zum Bauchpanzer (Plastron).

Besonderheit bei Jungtieren

Der Panzer von Schlüpflingen besitzt zu Beginn noch keinerlei Knochengewebe sondern lediglich knorpeliges, flexibles Bindegewebe. Aus diesem Grund ist der Panzer von Schlüpflingen auch noch weicher als der Panzer älterer Exemplare. Erst im Laufe der Jahre verknöchert sich das knorpelige Bindegewebe durch Calciumeinlagerung (Ossifikation) zu den stabilen Knochenplatten. Selbst bei Jungtieren im semiadulten (halb-erwachsenen) Alter sind noch knochenfreie Bezirke zu finden (siehe Bild oben), welche sich jedoch in den darauf folgenden Jahren zunehmend verengen.

Besonderheit der Meeresschildkröten

Diese weisen, wie auf dem vorletzten Bild gut zu erkennen ist, reduzierte Skelettelemente auf. So ist etwa das äußere Drittel des Rückenpanzers (Carapax) nur gerüstartig durch die Rippen verknöchert. Auch der Bauchpanzer (Plastron) weist äußere (laterale) Rückbildungen auf und mittig (medial) befindet sich ein knochenloser Bezirk. Der Grund für diese „Einsparung“ ist die dadurch resultierende Gewichtsabnahme = Schwimmverbesserung und die Einsparung von Energie.

Besonderheit der Spaltenschildkröten

Spaltenschildkröten (Malacochersus tornieri) zwischen einigen Felsplatten. (C) Dominik Müller

Spaltenschildkröten (Malacochersus tornieri) zwischen einigen Felsplatten. (C) Dominik Müller

Die Spaltenschildkröte (Malacochersus tornieri) kommt im ostafrikanischen Tansania und Kenia vor und ist ein Bewohner der dortigen Dornbuschsavanne. Ihr Panzer ist so flach gebaut, dass sogar die Atembewegungen äußerlich sichtbar sind. Sind die Lungen mit Luft gefüllt, vergrößert sich das gesamte Körpervolumen. Dies macht sie sich zunutze, indem sie vor Fressfeinden in engen Felsspalten flüchtet und ihre Lungen mit Luft füllt und sich somit wie eine Art Korken im Spalt verankert. Dadurch ist es für Fressfeinde fast unmöglich, eine Spaltenschildkröte aus ihrem Versteck zu ziehen.

Besonderheit der Scharnierfunktion

Portrait einer Carolina-Dosenschildkröte (Terrapene carolina carolina). Foto: gemeinfrei

Portrait einer Carolina-Dosenschildkröte (Terrapene carolina carolina). Foto: gemeinfrei

Wenige Arten sind dazu befähigt den Vorder- und Hinterlappen des Plastrons durch ein bindegewebsartiges Scharnier hochzuklappen und dadurch den Panzer bei Gefahr komplett zu verschließen.

Darstellung der Scharnierfunktion bei einer Dosenschildkröte. (C) Dominik Müller

Darstellung der Scharnierfunktion bei einer Dosenschildkröte. (C) Dominik Müller

Nahansicht der Darstellung der Scharnierfunktion. (C) Dominik Müller

Nahansicht der Darstellung der Scharnierfunktion. (C) Dominik Müller

Man beachte die Stellung der Gliedmaßen und des Kopfes in eingezogenem Zustand. Die meisten Schildkrötenarten verfügen über eine solche Fähigkeit nicht.

Embryonale Entwicklung des Panzers

Vergleichende Darstellung der Anordnung von Schulterblatt und Rippen.

Vergleichende Darstellung der Anordnung von Schulterblatt und Rippen.

Die japanischen Forscher Shigeru Kuratani und Hiroshi Nagashima konnten durch Untersuchungen herausfinden, dass sich der Panzer der Schildkröten aus den Rippen bildet, welche bei allen anderen Tierarten den Brustkorb darstellen. Während der embryonalen Entwicklung kommt es über die Rippen zur Aussendung chemischer Substanzen, die eine Verknöcherung des umliegenden Gewebes in Gang setzen. Dadurch kommt es im Ei nach und nach zur Ausbildung des Panzers. Die Rippen verwachsen dabei fest mit dem umliegenden Gewebe und bilden später die stabilen Grundsäulen des Schildkrötenpanzers. Bei allen anderen Wirbeltieren bilden sich die Rippen unabhängig voneinander aus und wanders so nach und nach unter die Schulterblätter. (Quelle: Zentrum für Entwicklungsbiologie in Kobe) et al.: Science, doi:10.1126/science.1173826)

Knochenplatten

Die knöcherne Grundlage des Panzers besteht aus Hautknochen, den sog. Osteodermen und ist mit Plattenknochen des menschlichen Körpers (Schädeldach und Schlüsselbeine) vergleichbar. Osteoderme werden in der Lederhaut des Körpers gebildet. Es handelt sich um Verknöcherungen, welche sich aus bestimmten embryonalen Keimblättern (Mesektoderm) bilden.

Aufbau und Einteilung

Knochenplatten des Plastron (Bauchpanzer) zur Verdeutlichung der Vernetzung durch die Schwammsubstanz des Knochens (Spongiosa/Diploe). (C) Dominik Müller

Knochenplatten des Plastron (Bauchpanzer) zur Verdeutlichung der Vernetzung durch die Schwammsubstanz des Knochens (Spongiosa/Diploe). (C) Dominik Müller

Knochensubstanz des Panzers. (C) Dominik Müller

Knochensubstanz des Panzers. (C) Dominik Müller

Typisch ist die äußerst kompakte und stabile Knochensubstanz (Substantia compacta) mit ebenfalls sehr kompakten Anteilen an schwammartiger Knochensubstanz (Spongiosa oder hier Diploe). Die Diploe bildet ein engmaschig vernetztes Gerüst, in dem die Knochenbälkchen (Trabecula) entlang der wichtigsten Belastungslinien angeordnet sind. So entsteht ein in sich verzahntes, stabiles, kuppelförmiges Gerüst aus Knochenplatten.

Übersicht über die Knochenplatten des Carapax einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Übersicht über die Knochenplatten des Carapax einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Knochenpanzer des Bauchpanzers einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Knochenpanzer des Bauchpanzers einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Die Anzahl der Knochenplatten ist deutlich größer als die Anzahl der Hornschilde, d. h., ein Hornschild bedeckt mehrere Knochenplatten zugleich und verbindet sie so nochmals. Der Knochenpanzer der Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) besteht bspw. aus 57 miteinander verzahnten Knochenplatten; die Anzahl der darüber liegenden Hornschilde beträgt jedoch nur 37.

Vergleich mit den Hornschilden

Vergleich von Knochenplatten und Hornschilde des Carapax. (C) Dominik Müller

Vergleich von Knochenplatten und Hornschilde des Carapax. (C) Dominik Müller

Die Zwischennähte der Hornschilde sind aus Stabilitätsgründen mit den Zwischennähten der Knochenplatten nicht deckungsgleich. Dies ist mit dem Aufbau einer Mauer zu vergleichen, denn auch hier sind die Steine der darüber liegenden Reihe versetzt zu der unteren Reihe, um eine größtmögliche Stabilität zu gewährleisten.

Auch wenn der Panzer auf uns Menschen sehr robust und unempfindlich wirkt, so ist er doch erstaunlich empfindsam, denn die epidermale Schicht (Hautschicht) zwischen Hornschilden und Knochenplatten ist mit zahlreichen Nerven durchsetzt. Diese „lebende Schicht“ dient außerdem der Ernährung des Panzers und fungiert als Halterung (eine Art Klebeschicht) für die Hornschilde.

Hornschilde (Scuta)

Nahaufnahme der Panzerzeichnung einer Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata). (C) Dominik Müller

Nahaufnahme der Panzerzeichnung einer Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata). (C) Dominik Müller

Die Färbung der Hornschilde hängt vor allem von der Herkunft der Schildkröte ab. Die meisten Arten sind farblich perfekt an ihren Lebensraum angepasst.

Aufbau und Einteilung

Die äußerlich sichtbaren Schilde bestehen, genau wie unsere Fingernägel oder die Krallen eines Hundes, aus verhornten Epithelzellen, welche miteinander verklebt sind und somit ein festes und homogenes Material ergeben.

Hornschilde einer adulten Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Hornschilde einer adulten Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Die Hornschilde des Panzers setzen sich aus mehreren hauchdünnen Hornschichten mit einer Stärke von unter 1 mm zusammen und bilden so die perfekte äußere Ummantelung des eigentlichen Knochenpanzers.

Hornschilde des Rückenpanzers (Carapax) einer Maurischen Landschildkröte. (C) Dominik Müller

Hornschilde des Rückenpanzers (Carapax) einer Maurischen Landschildkröte. (C) Dominik Müller

Hornschilde des Bauchpanzers (Plastron) einer Maurischen Landschildkröte. (C) Dominik Müller

Hornschilde des Bauchpanzers (Plastron) einer Maurischen Landschildkröte. (C) Dominik Müller

Besonderheit der Weichschildkröten

Bei den Weichschildkröten (Trionychidae) ist anstelle der großen Knochenplatten und Hornschilde eine weiche, lederartige Schicht vorhanden. Der Panzer dieser Familie hat sich im Laufe der Evolution wieder zurückgebildet. Gründe dafür könnten sein, dass ein solch massiver Schutz nicht mehr nötig war oder das ein ledriger Panzer keine so große Starrheit aufweist und wesentlich flexibler und leichter ist.

Panzerwachstum

Wie alle Reptilien, wachsen auch Schildkröten prinzipiell das ganze Leben lang. Sowohl die Knochenplatten, als auch die Hornschilde, vergrößern sich während eines Wachstumsschubes sichtbar.

Vergrößerung der Knochenplatten und Hornschilde

Schematische Darstellung des Schildwachstums. (C) Dominik Müller

Schematische Darstellung des Schildwachstums. (C) Dominik Müller

Knochenplatten und Hornschilde werden durch vom Alter und der Jahreszeit abhängige Wachstumsschübe stetig vergrößert. Diese Wachstumsschübe sind äußerlich als sogenannte Wachstumsringe an den Hornschilden sichtbar.

Schlüpflinge weisen anfangs nur einen dieser Ringe auf. Dieser erste Wachstumsring (hier schwarz dargestellt) wird im Laufe der Zeit von außen nach innen durch weitere ergänzt.

Schlüpfling einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Schlüpfling einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Zweijähriges Jungtier einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Zweijähriges Jungtier einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Wachstumsringe sagen aber leider wenig über das Alter einer Schildkröte aus, denn während eines Jahres durchlebt eine Schildkröte mehrere Wachstumsschübe in denen jeweils ein neuer Ring hinzukommt. Die Neubildung und Größe dieser Wachstumsringe hängt von der Jahreszeit und der Nahrungsaufnahme ab.

Eine etwa 50-jährige Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Eine etwa 50-jährige Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren sind kaum noch neue Wachstumsringe zu erkennen, weil diese sich nur während des intensiven Größenwachstums in den ersten Jahrzehnten bilden. Außerdem wird der Panzer im Laufe der Jahre durch die natürliche Abnutzung geglättet und erscheint bei vielen Exemplaren daher wie poliert.

Besonderheit der Wasser- und Sumpfschildkröten

Im Gegensatz zu den Landschildkröten, bei denen sich, wie oben beschrieben, die Schilde stetig mit den Knochenplatten vergrößern, stoßen die wasserbewohnenden Arten ihre Hornschilde bei der regelmäßigen Häutung komplett mit ab.

Schädel (Cranium)

Schildkröten gehören als einzige Ordnung zu den sog. Schläfengrubenlosen (Anapsida), bei denen ein Schläfenfenster/Temporalfenster fehlt oder nur als schwache Vertiefung angedeutet ist (nähere Informationen sind unter Systematik zu finden).

Im Vergleich zu anderen Reptilien und in Relation zum Körpervolumen weisen Schildkröten einen relativ kleinen Schädel auf.

Aufbau und Einteilung des Schädels

Schädel einer Suppenschildkröte (Chelonia mydas). (C) Dominik Müller

Schädel einer Suppenschildkröte (Chelonia mydas). (C) Dominik Müller

Die Augenhöhlen (Orbita) sind auffällig groß angelegt. Zwischen diesen befindet sich die Öffnung der Nasenhöhle. Ober- und Unterkiefer sind im vorderen Bereich mit den sog. Hornschneiden (Rhamphoteca) überzogen und bilden so einen Schnabel. Zähne besitzen die heute lebenden (rezenten) Schildkröten nicht mehr.

Hornschnabel einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Hornschnabel einer Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri). (C) Dominik Müller

Die stabilen und scharfen Hornschneiden greifen beim Zubeißen ähnlich wie eine Schere ineinander, sodass dank der kräftigen Kiefermuskulatur auch größere Stücke aus der Nahrung herausgebissen werden können.

Das Quadratbein (Os quadratum) bildet gemeinsam mit dem Gelenkbein (Os articulare) des Unterkieferks das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis). Zwischen Quadratbein (Os quadratum) und Schuppenbein (Os squamosum) befindet sich die Grube des Gehörorgans (Fossa tympanica).

Eine ledrige Membran ersetzt das bei uns Menschen vorhandene Trommelfell. (C) Dominik Müller

Eine ledrige Membran ersetzt das bei uns Menschen vorhandene Trommelfell. (C) Dominik Müller

Das knöcherne Innenohr ist vollständig ausgebildet und wird von einer ledrigen Membran (siehe Bild) bedeckt. Ohrmuschel und äußerer Gehörgang fehlen.

Ausprägungsformen des Schädels

Form und Aufbau des Schädels und des Kiefers sind stark abhängig von der Ernährungsweise der Art.


Riesenschildkröte (Dipsochelys dussumieri)
Konsumart:
überw. herbivor

Breitrandschildkröte (Testudo marginata)
Konsumart:
überw. herbivor

Geierschildkröte (Macroclemys temminckii)
Konsumart:
carnivor

Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta)
Konsumart:
überw. carnivor

Lederschildkröte (Dermochelys coriacea)
Konsumart:
überw. carnivor

Suppenschildkröte (Chelonia mydas)
Konsumart:
überw. herbivor

Wirbelsäule (Columna vertebralis)

Querschnitt eines Landschildkröten-Skeletts. (C) Dominik Müller

Querschnitt eines Landschildkröten-Skeletts. (C) Dominik Müller

Schildkröten weisen auch hier, bedingt durch den Panzer, eine Besonderheit gegenüber anderen Wirbeltieren auf, denn die Wirbelsäule besteht sowohl aus starren, als auch beweglichen Elementen.

Halswirbelsäule (Columna cervicalis)

Vorderer (cranialer) Abschnitt eines Landschildkröten-Skeletts. (C) Dominik Müller

Vorderer (cranialer) Abschnitt eines Landschildkröten-Skeletts. (C) Dominik Müller

Der Schädel ist über einen einfachen Gelenkfortsatz (Condylus) mit der Halswirbelsäule verbunden. Der 1. Halswirbel (Atlas) ist eng mit dem 2. Halswirbel (Axis) verbunden. Die aus 8 Wirbeln bestehende Halswirbelsäule ist bis auf den Ansatzpunkt zur Brustwirbelsäule frei beweglich.

Besonderheit der Halsberger (Cryptodira)

Den sog. Halsbergern (Cryptodira, eine Unterordnung der Schildkröten) ist es möglich, den Kopf vollständig bogenförmig in den Panzer einzuziehen. Zu den Halsbergern zählen alle Landschildkröten, Sumpfschildkröten und Meeresschildkröten.

Besonderheit der Halswender (Pleurodira)

Aufnahme einer Chelodina longicollis (Schlangenhalsschildkröte)

Aufnahme einer Chelodina longicollis (Schlangenhalsschildkröte)

Halswender (Pleurodira) können ihn lediglich S-förmig bis zum vorderen Panzerende zurückziehen. Zu ihnen wird die oben abgebildete Schlangenhalsschildkröte gezählt. Sie ist dank des langen Halses dazu in der Lage, gezielt nach Beute zu schnappen.

Rumpfwirbelsäule (Pars thoracolumbalis)

Die mit dem Carapax verwachsene und somit starre Rumpfwirbelsäule, setzt sich zusammen aus den 7-10 Wirbelkörpern der Brust und den 2-3 Wirbelkörpern der Lendenregion.

Schwanzwirbelsäule (Pars caudalis)

Die Form und Anzahl der Wirbelkörper des Schwanzes ist variabel. Die meisten Arten weisen jedoch mindestens 12 Wirbel auf. Die Schwanzwirbelsäule ist, wie die Halswirbelsäule auch, frei beweglich, da sie nicht fest mit dem Rückenpanzer verwachsen ist. Somit kann sie bei Gefahr mehr oder weniger eingeklappt werden.

Bewegungsapparat

Die Bewegungsapparat dient primär der Fortbewegung. Die Gliedmaßen (Extremitäten) halten dabei den Panzer der Schildkröte waagerecht über der Erde bzw. dienen der Steuerung unter Wasser. Schildkröten sind durchaus in der Lage, sich schnell fortzubewegen. Dies wird vor allem durch die gut ausgebildete Skelettmuskulatur ermöglicht.

Schultergürtel (Cingulum membri thoracici)

Schultergürtel einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Schultergürtel einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Der Schultergürtel der Schildkröte wird gebildet durch den Epiplastron, Entoplastron, das Schulterblatt (Scapula), die Schulterhöhe (Acromion) und das Rabeinbein (Coracoid).

Das Rabenbein (Coracoid) verläuft beinahe parallel zum Bauchpanzer (Plastron) und steht nach hinten (caudal) ab. Die Schulterhöhe (Acromion) steht zur Mitte hin (medial) ab und berührt am Ende beinahe sein Gegenstück der anderen Seite. Dort verbindet sich das Acromion schließlich mit dem Bauchpanzer (Plastron). Nach oben hin (dorsal) erstreckt sich säulenförmig das Schulterblatt (Scapula) und verschmilzt am Ende schließlich mit dem Rückenpanzer (Carapax).

Schulterblatt (Scapula), Schulterhöhe (Acromion), Rabenbein (Coracoid) und Oberarmknochen (Humerus) bilden das Schultergelenk (Articulatio humeri).

Vordergliedmaßen

Darstellung der Vordergliedmaßen der Meeresschildkröten. (C) Dominik Müller

Darstellung der Vordergliedmaßen der Meeresschildkröten. (C) Dominik Müller

Die lang ausgebildeten Fingerknochen der Meeresschildkröten bilden gemeinsam mit den verhornten Schuppen ein flexibles und großes Paddel, mit dessen Hilfe die Fortbewegung im Wasser optimiert wurde.

Darstellung der Vordergliedmaßen der Landschildkröten. (C) Dominik Müller

Darstellung der Vordergliedmaßen der Landschildkröten. (C) Dominik Müller

Im Gegensatz dazu müssen Landschildkröten stets ihr gesamtes Gewicht, was je nach Art nicht gerade wenig ist, mit sich herumtragen. Dementsprechend kräftig und stabil sind die Gliedmaßen aufgebaut.

Vergleich der Vordergliedmaßen (Meeresschildkröte und Landschildkröte). (C) Dominik Müller

Vergleich der Vordergliedmaßen (Meeresschildkröte und Landschildkröte). (C) Dominik Müller

Bei den Schildkröten der Meere sind Elle (Ulna), Speiche (Radius), Mittelfußknochen (Ossa metacarpalia) und Fingerknochen (Ossa digiti manus) lang und schmal. Landschildkröten weisen hingegen eine kräftige Elle und Speiche auf und besitzen kaum ausgebildete und nur minimal bewegliche Fingerknochen.

Beckengürtel (Cingulum membri pelvini)

Beckengürtel einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Beckengürtel einer Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca). (C) Dominik Müller

Das paarig angelegte Darmbein (Os ilium), Schambein (Os pubis) und Sitzbein (Os ischii) bilden das Becken (Pelvis) der Schildkröte und formen seitlich (lateral) die Beckenpfanne (Acetabulum), in der der Kopf des Oberschenkels (Caput ossis femoris) sitzt. Zusammen bilden diese Knochen das Hüftgelenk (Articulatio coxae).

Das Darmbein (Os ilium) ist oben (dorsal) mit dem Rückenpanzer (Carapax) verbunden. Schambein (Os pubis) und Sitzbein (Os ischii) sind unten (ventral) mit dem Bauchpanzer (Plastron) verschmolzen.

Hintergliedmaßen

Präparat einer Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata).

Präparat einer Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata).

Die hinteren Extremitäten der Meeresschildkröten sind ähnlich aufgebaut, wie die vorderen Gliedmaßen, jedoch nicht ganz so lang.

Aldabra-Riesenschildkröte (Aldabrachelys gigantea).

Aldabra-Riesenschildkröte (Aldabrachelys gigantea).

Bei den Vertretern des Landes sind die Hintergliedmaßen mit denen der Elefanten zu vergleichen. Sie sind nämlich insgesamt eher plump und kräftig.