Die Maurische Landschildkröte (Testudo graeca) weist das größte Verbreitungsgebiet unter den paläarktischen Landschildkröten (Testudo-Arten) auf. In Nordafrika, Europa und Asien bewohnt sie die unterschiedlichsten Lebensräume. Eine große Variabilität zeigt sich jedoch auch am äußeren Erscheinungsbild, was die steigende Popularität unter den Landschildkrötenfreunden erklärt.
Wir beschränken uns auf unserer Webseite auf die Beschreibung der am häufigsten gehaltenen Unterart, nämlich auf die Eurasische Landschildkröte (Testudo graeca ibera).
Der Begriff „Graeca“ bedeutet übersetzt „griechisch“ was häufig zu Verwechslungen mit der Griechischen Landschildkröte führt. In diesem Falle hat die Bezeichnung jedoch nicht direkt etwas mit der Herkunft zu tun, wie es häufig der Fall ist.
Wissenschaftliche Einordnung (Taxonomie)
Klasse: Reptilia (Reptilien)
Ordnung: Testudines (Schildkröten)
Unterordnung: Cryptodira (Halsberger)
Familie: Testudinidae (Landschildkröten)
Gattung: Testudo (Paläarktische Landschildkröten)
Art: Testudo graeca (Maurische Landschildkröte)
Die Erstbeschreibung dieser Art erfolgte 1758 durch Carl von Linné.
Aussehen und Merkmale (Habitus)
Rückenpanzer (Carapax)
Der Rückenpanzer (Carapax) der Maurischen Landschildkröten ist meist stark gewölbt und weist seitlich gesehen eine halbrunde Form auf.
Im Bereich des langgezogenen und schmalen Nackenschildes (Cervicale) befindet sich eine schwache Einbuchtung.
Die trapezförmigen Wirbelschilde (Vertebralia) sind deutlich seitwärts verbreitert.
Die hinteren Randschilde (Marginalia) sind in der Regel ausladend und bei männlichen Exemplaren oft gezahnt.
Das Schwanzschild (Supracaudale) ist stets ungeteilt.
Die Grundfärbung ist von der Unterart abhängig und variiert selbst dort noch stark. Sie kann Farben in Hellgrau, Sand, Ocker, Korngelb, Olivgelb, Hellbraun und Hellgrau enthalten.
Auf den einzelnen Hornschilden befinden sich Zeichnungen in dunkelbraun bis schwarz. Bei sehr alten Exemplaren können die Zeichnungen die gesamte Fläche einnehmen und das Tier somit fast einfarbig dunkel färben.
Einige Exemplare ähneln stark der Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni), andere eher der Breitrandschildkröte (Testudo marginata), so auch dieses Jungtier.
Die Rippenschilde (Costalia) sowie die Wirbelschilde (Vertebralia) sind in einem nach hinten gerichteten Streifen frei von Zeichnungen, d. h. der Schwerpunkt der Zeichnungen liegt im mittleren und vorderen Bereich der Schilde. Bei den Costale ist außerdem auffallend, dass das Muster in den meisten Fällen strahlenartig in Richtung Schildmittelpunkt verläuft.
Bauchpanzer (Plastron)
Gepunktete und zerrissene Muster in braun, grau oder schwarz zeichnen den Bauchpanzer (Plastron) der Maurischen Landschildkröte aus. Die Zeichnungen variieren sehr stark – so sind Exemplare bekannt, die einen vollständig grundfarbenen Plastron aufweisen, bei anderen ist er hingegen fast gänzlich mit Zeichnungen versehen.
Im vorderen Bereich des Plastrons ist eine deutliche Verdickung zu erkennen.
Der hintere Bauchpanzerlappen ist ab den Schenkelschilden (Femoralia) mit einem schwach beweglichen Scharnier ausgestattet, welches besonders bei weiblichen Exemplaren erkennbar ist.
Auf jeder Seite befinden sich ein schmales Axelschild (Axillare).
Und je Seite ein Hüftschild (Inguinale).
Kopf (Caput)
Der Kopf der Maurischen Landschildkröten weist von oben (dorsal) gesehen eine ellipsenähnliche Form auf. Die Nase steht dabei etwas hervor.
Die Färbung ist entweder relativ eintönig dunkel (meist schwarz) oder es sind Töne in beige-braun bis sandgelb eingelagert.
Vordergliedmaßen
Die vorderen Gliedmaßen sind kräftig ausgebildet und mit mittelgroßen bis großen Hornschuppen versehen.
Die Hornschuppen enthalten in der Regel die gleichen Färbungen wie die, des Panzers. Auch hier konzentriert sich die Färbung bei alten Exemplaren auf dunkle Farben, meist schwarz.
Testudo graeca besitzt an den Vordergliedmaßen fünf Krallen.
Hintergliedmaßen
Wie bei allen an landlebenden Schildkröten ähneln auch die Hintergliedmaßen der Maurischen Landschildkröte anatomisch und augenscheinlich den Gliedmaßen der Elefanten. Sie sind eher plump aber dennoch feinfühlig.
Mit Hilfe der Hintergliedmaßen sind die weiblichen Tiere in der Lage, die Eigrube auszuheben und anschließend die abgesetzten Eier mit viel Feingefühl exakt zu positionieren. Nach Beendigung der Ablage wird die Eigrube wieder sorgfältig verschlossen.
Die Unterseite des Hinterfußes ist mit mittelgroßen bis großen, teils nach unten abstehenden Schuppen versehen.
Seitlich (lateral) des kurzen Schwanzes befinden sich die für Testudo graeca typischen Hornkegel (Hornwarzen).
An den Hintergliedmaßen besitzt die Maurische Landschildkröte vier Krallen.
Schwanz (Cauda)
Der Schwanz ist kurz und ein Schwanzendnagel ist nicht vorhanden.
Jungtiere
Jungtiere der Maurischen Landschildkröte sind im Vergleich zu adulten Exemplaren deutlich kontrastreicher gefärbt.
Unterscheidung der Geschlechter (Sexualdimorphismus)
Weibchen
Eben geformter Bauchpanzer (Plastron)
Insgesamt deutlich größer, von oben gesehen: eher gleichmäßige Breite
Afterschilde (Analia) etwa genauso breit wie lang; kurzer Schwanz; Kloakenöffnung eher körpernah (proximal) und kreisrund
Männchen
Nach innen gewölbter (konkaver) Bauchpanzer
Insgesamt deutlich kleiner; die hinteren Randschilde (Marginalia) sind oft gezahnt und ausladend
Afterschilde (Analia) breitgezogen und schmaler; längerer Schwanz; Kloakenöffnung eher körperfern (distal) und schlitzförmig
Wissenswertes
Verbreitung der mediterranen Unterarten
Die Maurische Landschildkröte besiedelt ein riesiges, stark zerrissenes Verbreitungsgebiet. Es erstreckt sich über 27 Staatsgebiete, von der Atlantikküste im Westen Marokkos bis in die östlichen Teile Irans. Die Art lebt dabei unter sehr unterschiedlichen Klimabedingungen, dem vergleichsweise ausgeglichenen Mittelmeerklima und den extremen Wetterbedingungen der asiatischen Steppen mit glühendheißen Sommern und monatelangem Frost im Winter. Auch die besiedelten Lebensräume unterscheiden sich stark, von feuchten Sumpfrandgebieten über Heide- und Graslandschaften, lichten Wäldern, sandigen Dünenlandschaften bis hin zu wenig bewachsenen, trockenen Steppen und Halbwüsten.
Aufgenommen wird eine Vielzahl von ein- und mehrjährigen Pflanzen aus einem breiten Spektrum von Pflanzenfamilien. In der Doñana wurde eine Aufnahme von 86 Pflanzenarten aus 26 Familien beobachtet, vor allem Vertreter der Süßgräser (Gramineae), Korbblütler (Asteraceae), Hülsenfrüchtler (Leguminosae), Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) und Nelkengewächse (Caryophyllaceae). Bei ausreichendem Nahrungsangebot, meist im Frühjahr zeigen sich deutliche Nahrungsvorlieben für bestimmte Pflanzenarten. In Dagestan wurde im Mageninhalt von 62 Tieren ein Anteil von 97 Prozent der vergleichsweise proteinreichen Leguminosen festgestellt. Das sind zum Beispiel wilde Wicken und Klee. Außerdem werden bevorzugt die nahrhafteren Teile aufgenommen, Knospen, Blüten, Früchte mit Samen. Bei Nahrungsmangel, vor allem während der heißen Sommermonate, werden aber auch vertrocknete, wenig nahrhafte Pflanzen und Pflanzenteile, teilweise sogar Giftpflanzen aufgenommen und verwertet. Insbesondere dann wurden im Mageninhalt und Kot auch Reste von Wirbellosen (z. B. Gehäuseschnecken und Insekten) und Kot anderer Tiere nachgewiesen. Weibchen nehmen mehr tierische Bestandteile auf als Männchen und Jungtiere. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass wir unsere mediterranen Landschildkröten tierisch ernähren sollten!
Natürliche Lebensweise im Habitat
Maurische Landschildkröten sind ausschließlich tagaktive Reptilien, die für die Verdauung ihrer Nahrung auf die Zufuhr von Sonnenenergie angewiesen sind. Sie können als poikilotherme (wechselwarme) Tiere die nötige Körperwärme nicht selbst erzeugen, sondern müssen sie, ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend, durch Ortswechsel von schattigen zu sonnigen Plätzen beeinflussen. Die Körpertemperaturen aktiver Tiere werden in der Literatur mit 22 bis 37 °C angegeben. Für die einwandfreie Verdauung ihrer faserreichen Nahrung benötigen sie für einige Stunden am Tag sogar Körpertemperaturen über 30 °C , die sie zum Beispiel durch ein morgendliches Sonnenbad auch dann erreichen, wenn die Lufttemperatur noch deutlich niedriger liegt. In der kühleren Jahreszeit kommen die Tiere meist erst am späten Vormittag zum Vorschein, sonnen sich und verschwinden wieder. Oberhalb von 40 °C geraten sie in Lebensgefahr und vergraben sich in der kühleren Erde oder suchen Felsspalten und Bauten anderer Tiere auf. In den Sommermonaten zeigen sie deshalb ein zweiphasiges Verhalten, mit Aktivität nur am kühleren Morgen und Nachmittag. In heißen, ariden Lebensräumen wird im Sommer sogar eine längere Sommerruhe (Ästivation) nötig, im südlichen Marokko etwa von Juni bis September. Unterhalb von 8 °C kommt der Stoffwechsel zum Erliegen. Auch Atmung und Herzfrequenz sind stark herabgesetzt. In manchen Teilen ihres Verbreitungsgebietes fällt die Maurische Landschildkröte deshalb oft in eine monatelange Winterstarre (Hibernation) und ist zum Teil von September bis März inaktiv und vergraben.
Allgemeines
WA-Status:
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Anhang II (durch den internationalen Handel stark gefährdete Arten) |
EU-Anhang:
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Anhang A (vom Aussterben bedrohte Arten) |
Terra typica:
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Testudo graeca cyrenaica: Derna 32°46’N, 22°39’E (Darnah, Cyrenaika, Ostlibyen)
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Holotypus:
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Testudo graeca cyrenaica: Museum für Tierkunde, Dresden, MTKD 31880
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Namensherkunft: |
Testudo graeca ibera: Antike Bezeichnung des Kura-Tales in Georgien
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Ernährung: |
pflanzlich (herbivor) |
Lebenserwartung: |
ca. 60-80 Jahre (Habitat)
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Habitat: |
Dünenlandschaften, Macchia, Steppengebiete, Halbwüsten |
Temperatur (max.): |
40° C |
Temperatur (min.): |
4° C |
Fortpflanzung
Hauptpaarungszeit: |
Frühling (Februar-April) |
Gelegeanzahl: |
1-3 pro Jahr |
Gelegegröße: |
2-6 Eier pro Gelege |
Dauer der Eiablage: |
insg. 60-90 min |
Form der Eier: |
rund bis leicht oval |
Größe der Eier: |
41-53 mm |
Gewicht der Eier: |
16-21 g |
Inkubationsdauer: |
54-66 Tage (künstlich) bzw. 80-100 Tage (natürlich) |
Winterstarre (Hibernation)
Temperatur: |
5-6° C |
Dauer: |
3-4 Monate (je nach Herkunft) |
Wichtiger Hinweis: |
Einige Unterarten halten keine Winterstarre, für diese Arten können solch niedrige Temperaturen lebensgefährlich werden! |