Jedes Tier hat auch in menschlicher Obhut das Recht, ein naturnahes Leben zu führen. Einem Wildtier eine Lebensweise aufzuzwingen, die es aus seinem natürlichen Lebensraum überhaupt nicht kennt, halte ich für Tierquälerei. Die Haltung und Pflege von exotischen Tieren ist logischerweise mit einem wesentlich größeren Aufwand verbunden, als die Haltung einer Maus. Natürlich kann der natürliche Lebensraum niemals 1:1 in die menschliche Obhut übertragen werden, weshalb es immer zu gewissen Einschränkungen kommt. Aber gerade aus diesem Grund ist es so wichtig, dass wir als verantwortungsbewusste Tierhalter, alles daran setzen, unseren gepanzerten Vierbeinern ein möglichst naturnahes Umfeld zu bieten! Eine solche Haltung und Pflege, werden Ihnen ihre Schildkröten mit einem gesunden, glücklichen und langen Leben sowie ggf. auch zahlreichen Nachzuchten danken.
Viel zu häufig wird sich ein Tier aus einer Laune heraus angeschafft, ohne groß über die damit verbundenen Verpflichtungen nachzudenken.
Das Resultat:
- Falsche Unterbringung
- Falsche Ernährung
- Falsche Pflege und Versorgung
Das dies auf Dauer nicht gut gehen kann, sollte jedem klar sein…
Insbesondere innere Erkrankungen sind nicht sichtbar und äußern sich bei Schildkröten meist erst, wenn es schon zu spät ist. Traurigerweise ist es auch so, dass Schildkröten bei schlechter Haltung nicht von jetzt auf gleich sterben, sondern vielmehr über Jahre regelrecht zu Tode gepflegt werden!
Auszug aus dem deutschen Tierschutzgesetz (TierSchG)
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
- darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
- muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Die erfolgreiche Haltung und Vermehrung von Schildkröten setzt, neben einem gesunden Verantwortungsbewusstsein und dem ernsthaften Interesse am Hobby, auch Sachkunde und Erfahrung voraus. Letzteres ist jedoch nur durch die Praxis zu erlangen. Jeder Schildkrötenhalter fängt einmal klein an, macht zu Beginn Fehler und lernt daraus. Man entwickelt eigene Methoden und Kniffe bei diesem und jenem Thema. Man sollte jedoch den Austausch mit anderen Schildkrötenhaltern nicht außer Acht lassen! Gerade empfindlichere Arten verzeihen einem kleinere Anfangsschwierigkeiten bei weitem nicht so einfach, wie Arten, die weniger hohe Anforderungen stellen!
Spielt jemand mit dem Gedanken, sich ein Tier anzuschaffen, so muss die artgerechte und verhaltensgemäße Haltung und Pflege immer an erster Stelle stehen. Deshalb sollte man vor der Anschaffung so viele Informationen wie möglich sammeln, diese filtern, gründlich studieren und sich vor allem auch mit anderen Haltern austauschen, um die anfänglichen Defizite in der Erfahrung zu überbrücken! Versuchen Sie daher, möglichst schon vor der Anschaffung der Schildkröten, Tagungen (z. B. die Jahrestagung der DGHT-AG Schildkröten) zu besuchen. Dort können Sie sich Vorträge von erfahrenen Haltern ansehen, sich mit anderen Haltern austauschen und meist auch geeignete Literatur und Zubehör erwerben.
Wo bringe ich europäische Landschildkröten artgerecht unter?
Eine möglichst artgerechte Haltung kann nur in einem Freilandgehege stattfinden, weil die Tiere eine gut strukturierte und großflächig angelegte Umgebung benötigen und einige wichtige Besonderheiten nur im Freien stattfinden können. Des Weiteren brauchen die Tiere die UV-B-Strahlung der echten Sonne um gesund aufzuwachsen bzw. gesund zu bleiben, denn Landschildkröten benötigen UV-B-Strahlung um das lebenswichtige Vitamin-D3 bilden zu können, welches die Einlagerung von Calcium in Panzer- und Knochengewebe ermöglicht. Außerdem beugt die Sonne im Allgemeinen Erkrankungen vor und ist für das Wohlbefinden der Tiere essentiell.
Da in unseren Breitengraden kein mediterranes Klima herrscht, sondern die Temperaturen und Sonnenstunden wesentlich geringer ausfallen und vermehrt Niederschlag auftritt, müssen wir als verantwortungsvolle Halter die Temperaturen erhöhen sowie den Sommer langanhaltender und intensiver gestalten und damit auch die Aktivphase der Schildkröten verlängern.
Was tun bei kaltem/nassem Wetter?
Hier haben sich Frühbeetkästen und Gewächshäuser bewährt, die an kühlen und regnerischen Tagen bzw. im Frühjahr und Herbst trotzdem für eine warme und trockene Umgebung sorgen. Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass eine Schildkröten-Gruppe schon etwas mehr Platz benötigt.
Als verantwortungsbewusster Schildkrötenhalter sollte man außerdem unbedingt dafür sorgen, dass sich verschiedene Arten und Unterarten untereinander nicht kreuzen können! Wenn dies geschieht, ist das „reine“ Erbgut der einzelnen Arten und Unterarten für immer verloren – und dies sollte sicherlich nicht dem Interesse eines seriösen Züchters entsprechen!
Allgemeines zu Schildkröten
Schildkröten haben sich evolutionär gesehen seit ihrer Erscheinung in der Trias – vor mehr als 200 Millionen Jahren – optisch so gut wie nicht verändert. Sie sind wahre Relikte aus der Urzeit und bewohnten bereits vor den Dinosauriern die Erde, überlebten deren Aussterben und stiegen unbeirrt bis zur heutigen Zeit auf.
Die Urschildkröte (Proganochelys), von der alle heute noch lebenden (rezenten) Schildkröten abstammen, zeigte eine amphibische Lebensweise, d. h. sie war im Gegensatz zu den heute lebenden Landschildkröten immer noch auf den Lebensraum Wasser angewiesen.
Im Laufe der Evolution entwickelten sich neben Wasserschildkröten und Sumpfschildkröten auch die Landschildkröten. Derzeit geht man davon aus, dass sich die Meeresschildkröten nicht etwa aus den Schildkröten der Gewässer entwickelten, sondern aus denen, welche bereits einer terrestrischen Lebensweise nachgingen, also an Land lebten. Demnach fand also eine Modifikation der Gliedmaßen statt, indem sich diese paddel- bzw. flossenähnlich ausbildeten.
Schildkröten benötigten eine Ewigkeit, um sich auf der Erde auszubreiten und dort an die unterschiedlichsten Lebensräume anzupassen. Dadurch erlangten sie eine große Vielfalt mit insgesamt über 300 rezenten Arten.
Der Mensch hat es als größtes Raubtier der Erde aber innerhalb kürzester Zeit geschafft, diese einzigartigen Geschöpfe fast auszurotten. Viele Arten sind bereits vom Aussterben bedroht und somit kurz davor, für immer von diesem Planaten zu verschwinden.
Schildkröten stehen heute zum Glück unter Artenschutz, der besonders den Handel mit ihnen einschränkt. In ihren natürlichen Lebensräumen sind die meisten Arten dennoch aus folgenden Gründen stark bedroht:
- Veränderung/Zerstörung der Habitate
- Stark verbreitete und rücksichtslose Landwirtschaft
- Zunehmender Ausbau des Verkehrsnetzes
Durch die starke Bedrohung in ihren natürlichen Lebensräumen wird uns, als Halter dieser urzeitlichen Tierart, eine große Verantwortung auferlegt!
Sollte die Zerstörung der Habitate weiter in dem Maße voranschreiten, ist es gut möglich, dass viele der bereits stark bedrohten Arten in naher Zukunft nicht mehr im natürlichen Lebensraum zu finden sind, sondern nur noch in menschlicher Obhut und/oder zoologischen Einrichtungen.