Der Verdauungsapparat (lat. Apparatus digestorius, auch Verdauungstrakt oder Verdauungssystem genannt) beginnt an der Maulhöhle und reicht bei Reptilien bis zur Kloake.
Er hat die folgenden Aufgaben:
- Aufnahme von Nahrung
- Zerkleinerung und Verdauung der Nahrung (mechanisch und chemisch)
- Resorption von Nährstoffen und Wasser
- Transport der Nahrung
- Ausscheidung von Endprodukten
Mundhöhle (Cavum oris) und Schlund (Pharynx)
Hornschnabel (Rhamphoteca)
Die Nahrung wird bei gesunden Schildkröten im Normalfall (also physiologisch) mit Hilfe des artspezifisch ausgeprägten Hornschnabels in kleinen Stücken abgetrennt und aufgenommen. Schildkröten verfügen heute über keine Zähne mehr. Oberkiefer und Unterkiefer besitzen jedoch scharfe Hornschneiden, welche das Maul als Schnabel vorderseits abschließen. Bei einigen Arten sind diese Hornschneiden gezahnt, sodass diese der Funktion von echten Schneidezähnen ähneln. Wenige Spezies verfügen über weiter in das Maul reichende Hornplatten mit hintereinander verlaufenden Höckerreihen zum Zermalmen pflanzlicher Kost.
Zunge (Lingua)
Die Zunge der Schildkröte stellt einen dicken, fleischigen Muskel dar. Sie ist in ihrer Bewegung stark eingeschränkt und kann daher nur wenige Millimeter aus dem Maul herausgestreckt werden. Die Oberfläche ist mit Zotten besetzt. Bei der Aufnahme der Nahrung ist die Zunge keine direkte Hilfe, da sie nur dazu dient den Geschmack über die Sinnesrezeptoren zu prüfen und die Nahrung im Maul rachenwärts zu befördern.
Am Grund der Zunge befindet sich der spindelförmige Zugang zur Luftröhre (der Trachea), welcher beim Abschlucken von Nahrung durch einen Schließmuskel verschlossen wird.
Speichel (Saliva)
Reptilien verfügen über eine Vielzahl an sekretorischen Drüsen innerhalb der Maulhöhle, des Rachens und der Speiseröhre. Diese produzieren Speichel (Saliva) und ein schleimiges Sekret (Mucus), das die Nahrung großflächig benetzt, gleitfähiger macht, und somit das Abschlucken erleichtert. Dies ist wichtig, da sie die Nahrung in der Maulköhle nicht mechanisch durch Kauen zerkleinern können.
Schleimhaut (Mukosa)
Die Schleimhaut von Gaumen und Rachen sind je nach Ernährungsweise mehr oder weniger stark verhornt. Spezies, welche sich vorwiegend von weicher Kost ernähren, weisen eine nicht so starke Verhornung auf als solche, die trockene und rauhe Nahrung aufnehmen.
Vorderdarm (Proenteron)
Speiseröhre (Oesophagus)
Die muskulöse Speiseröhre befördert die Nahrung zum Magen. Sie ist längsgefalten und sehr dehnbar. Je nach Spezies, ist sie mit magenwärts gerichteten Fortsätzen versehen, welche den Transport der Nahrung unterstützen. Der Oesophagus verläuft direkt über der Luftröhre (Trachea) und erreicht den Magen in direkter Nähe zum Herzen. Auch in der inneren Schleimhaut der Speiseröhre haben schleimbildende Zellen ihren Sitz. Durch den Schleim (Mucus) kann die Nahrung besser in Richtung des Magens gleiten.
Magen (Gaster)
Der Magen der Schildkröten ähnelt stark dem, der Säuger. Er befindet sich mittig des Rumpfes und liegt eher linksseitig. Die muskulöse Schleimhaut des Magens weist große Längsfalten auf, welche die Nahrung mechanisch zerkleinern. Der Magen ist sackartig ausgebildet und wird durch einen Ringmuskel (Pylorus) abgeschlossen.
Neben den mechanischen Prozessen, die über die Magenmuskulatur durchgeführt werden (Peristaltik) laufen auch chemische Prozesse ab. Der Magensaft der Schildkröten enthält zum einen Salzsäure, um Fäulnis vorzubeugen, pathogene Keime abzutöten und um Eiweiße zu denaturieren und zum anderen das eiweißabbauende Verdauungsenzym Pepsin (bei insektenverzehrenden Arten auch Chitinase, und Chitibiase). Dabei werden die Salzsäure und die Enzyme von den selben Zellgruppen der Magenschleimhaut gebildet und abgegeben.
Sowohl die Peristaltik, als auch die enzymatischen Prozesse im Magen, laufen bei erhöhter Betriebstemperatur verstärkt ab.
4 Dünndarm (Intestinum tenue)
Der geschlängelte Dünndarm der Schildkröten liegt relativ zentral im Panzer. Er weist einen konstant geringen Durchmesser auf und ist bei Herbivoren (Pflanzenfressern) kurz bzw. bei Carnivoren (Fleischfressern) stärker ausgeprägt. Das Innere des Dünndarms ist mit zickzackartigen Längsfalten ausgekleidet. Die Schleimhaut weißt zapfen- bis wellenförmige Zotten auf.
Im Dünndarm findet die Aufspaltung von Eiweißen, Fetten und Kohlenhydraten mit Hilfe von Enzymen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), der Gallenblase und der Darmwand statt.
Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Das Pankreas ist ein blassoranges Organ, mit schmaler, länglicher Form. Sein Ausführungsgang mündet ebenso wie der, der Gallenblase, in den Dünndarm.
Der in den Dünndarm abgegebene Pankreassaft enthält eiweiß-, fett- und kohlenhydratabbauende Enzyme. Außerdem neutralisiert er den durch die Magensäure angesäuerten Nahrungsbrei, um so eine bessere enzymatische Wirkung zu gewährleisten und den Darm vor Schäden zu schützen.
Gallenblase (Vesica biliaris)
Die Gallenblase hat ihren Sitz im rechten Leberlappen, wo auch die Galle gebildet wird. Über einen Ausführungsgang gelangt die Galle in den Dünndarm. Mit ihr werden zum einen unbrauchbare Endprodukte (v. a. Bilirubin und Biliverdin) an den Darm abgegeben und zum anderen ein wichtiges Enzym freigesetzt, welches bei der Verdauung und Aufnahme der Fette notwendig ist.
Dickdarm (Intestinum crassum)
Im Vergleich zum Dünndarm misst der Dickdarm einen deutlich größeren Durchmesser. Er beginnt mit dem Blinddarm, der je nach Ernährungsweise mehr (bei Herbivoren) oder weniger stark (bei Carnivoren) ausgeprägt ist. Am Ende des Dickdarms geht der Mastdarm in die Kloake über.
Im Dickdarm wird dem Verdauungsbrei hauptsächlich Wasser entzogen (resorbiert). Es findet aber auch die Verdauung pflanzlicher Bestandteile mit Hilfe der Darmflora (Bakterien) und Darmfauna (Einzeller) statt. Die freigesetzten Mikronährstoffe und entstehenden Vitamine können jedoch nicht mehr resorbiert werden. Schildkröten praktizieren jedoch die sogenannte Koprophagie (das Fressen von Kot), wodurch eben diese Mikronährstoffe und Vitamine, aber vor allem für die Verdauung wichtige Bakterien aufgenommen werden. Dies kann man inbesondere bei Jungtieren und erkrankten Schildkröten vermehrt beobachten.
Am Ende des Dickdarms wird der Kot geformt und im Mastdarm für die Abgabe in die Kloake vorbereitet.
Der gesamte Verdauungsprozesse dauert, je nach Ernährungsweise und Umgebungstemperatur, wenige Tage bis mehrere Wochen.
Ausscheidungsorgan (Kloake)
Die Kloake ist der gemeinsame Endabschnitt von Darm, Harn- und Geschlechtsorganen. Sie wird in drei Bereich eingeteilt:
Das Coprodaeum befindet sich im Anschluss an den Mastdarm und leitet den Kot weiter.
In das Urodaeum münden Harn- und Eileiter (weibl.) bzw. Samenleiter (männl.).
Innerhalb des Proctodaeums befindet sich der Penis (bei männlichen Tieren) bzw. die Klitoris (bei weiblichen Tieren). Produkte aus Darm, Harn- und Geschlechtstrakt werden im Proctodaeum gesammelt und über die Kloakenöffnung am Schwanz ausgeschieden.
Da die Kloake nur eine einzige Körperöffnung darstellt, wird das Risiko für eine Infektionen des Urogenitaltrakts minimiert.
Besonderheit der Kotaufnahme (Koprophagie)
Gerade Landschildkröten kann man hin und wieder bei der Aufnahme von eigenem Kot oder Kot von Artgenossen beobachten. Auch wenn es für uns Menschen eher abstoßend erscheint, so hat das „Kotfressen“ für unsere Schildkröten plausible Gründe:
Bei dem Verzehr von Kot werden physiologische Mikroorganismen (insb. Bakterien), wie sie vor allem im Dickdarm auftreten, sowie im Dickdarm gebildete Vitamine aufgenommen. Diese Bakterien machen sich besonders junge, kranke oder unterversorgte Landschildkröten zunutze, sollte die eigene Darmflora geschädigt oder noch nicht richtig aufgebaut sein. D. h., durch die erneute Verdauung wird die Darmflora (re)generiert und die pflanzlichen Bestandteile besser verdaut. Außerdem werden durch bestimmte Mikroorganismen wichtige Vitamine produziert, welche schließlich erst durch die erneute Aufnahme verwertet werden können.